Hubs Kern: Ein Pionier der Jugendtrainer ist 90 Jahre
Ich kann zwar mit Stolz sagen, dass ich in der Saison 1972 / 73 zur allerersten Mannschaft gehörte, die „Hubs“ (Hubert Kern) trainierte. Gleichzeitig muss ich zugeben, dass wir mit Sicherheit in dieser Saison das am wenigsten erfolgreiche Team waren, das Hubs jemals betreut hat. Wie geht das zusammen?
Start mit einer Basketball-historischen Einordnung – wir schreiben das Jahr 1972:
- Die olympischen Sommerspiele in München sind gerade zu Ende gegangen. Zum allerersten Mal hat die US-Auswahl das olympische Basketballfinale verloren: 50:51 gegen die UdSSR in der allerletzen Sekunde.
- Kapitän der Deutschen Basketballmannschaft ist zu dieser Zeit ein Holger Geschwindner, der beim USC München in der Bundesliga spielt. Das ist der Typ, der einem gewissen Dirk Nowitzki später den perfekten Wurf beibringen sollte.
- Und beim TSV München-Ost startet ein Trainer namens Hubs seine legendäre Trainerkarriere mit einem Haufen blutiger C-Jugend-Anfänger (12- bis 14jährige).
Keiner von uns Jungs hatte jemals in einer Mannschaft gespielt, ja nicht einmal im Schulsport Basketball gehabt. Ich kam an einem Mittwoch dazu, weil Freunde erzählten: „Wir spielen da immer nur eine Stunde Fußball und eine Stunde Basketball.“ Dem war aber gar nicht so, denn es hatte einen Betreuerwechsel gegeben. Da ging überhaupt nichts mit Fußball, sondern in der Halle stand ein sehr sympathischer, für einen Basketballer gar nicht so großer Trainer, der uns allen Ernstes richtig Basketball beibringen wollte. (siehe Stichwort oben: der perfekte Wurf).
Hubs war immer tiptop schriftlich vorbereitet und versuchte, uns Schritt für Schritt die Grundlagen dieses phantastischen Mannschaftsspiels beizubringen. Auch wenn wir schon nach einer halben Stunde nervend fragten: „Hubs, wann spielen wir denn?“, zog unser Trainer konsequent seine Übungen durch. Wenn jemand nicht aufpasste, kam Hubs auf ihn zu mit einem bedrohlich ausgetreckten Zeigefinger, der auf die Bauchmitte zielte, und verschaffte sich so Gehör.
Uns etwas beizubringen, war auch bitter nötig, denn Hubs meldete sein Team ziemlich schnell in der Liga zum Spielbetrieb an. Jeder bekam ein Baumwolltrikot und unsere Mütter mussten daheim die Nummern aufnähen. Ich weiß nicht, ob sich unser Trainer der sportlichen Herausforderung und unseres Leistungsniveaus wirklich bewusst gewesen war, mit seiner blutigen Anfängertruppe am offiziellen Spielbetrieb teilzunehmen.
Wir Spieler wussten es vor unserer ersten Begegnung auch nicht, aber nach dem Spiel, wurde die Selbsteinschätzung etwas realistischer. Wir hatten ungefähr mit 25:125 den Kürzeren gezogen hatten. Doch Hubs machte unbeirrt und unermüdlich mit uns, seinen Schützlingen, weiter. Zu manchen Auswärtsfahrten karrte er uns in seinem Renault R4 eigenhändig zu sechst oder zu siebt. Später in einem gelben Passat, in den Hubs, der Tüftler mit Ingenieursqualifikation, wahrscheinlich als erster Münchner eigenhändig einen Intervall-Heckscheibenwischer eingebaut hatte.
In der Halle schaffte es Hubs mit unendlicher Geduld, uns die Grundlagen des Basketballspiels beizubringen. Von einem Tag auf den anderen war dies allerdings nicht möglich und so verloren wir ausnahmslos alle Spiele in der Saison 1972 / 73. Aber wir erzielten in der Rückrunde auch ausnahmslos bessere Ergebnisse, als jeweils in den Hinspielen. Und dann der Start in die zweite Saison 73 / 74. Unser erstes Spiel auswärts in Mammendorf! Und was für ein Erlebnis, ja Ereignis für uns: Wir verließen zum ersten Mal das Parkett als Gewinner!!! Kein Sieg schmeckte süßer als dieser !!!
Tatsächlich hatte uns Hubs zu einem konkurenzfähigen Team geformt, so dass wir am Ende der Saison in der 12er-Liga ein Endspiel um den vierten Platz hatten. Ich kann mich noch erinnern, dass in diesem Spiel Hubs hochemotional coachte. Er war nicht ganz so ruhig und besonnen, wie gewohnt. Wir errangen einen knappen Sieg, der uns diese, für unser Team beachtliche, Platzierung sicherte.
Hubs trainierte mich auch noch 75 / 76 in der B-Jugend und 76 / 78 in der A-Jugend. Einmal durften wir sogar in der Rudi-Sedlmayer-Halle (Audi-Dome) das Vorspiel zu einem Bundesligaspiel bestreiten. Auch das konnten wir gewinnen. Hubs legte bei mir, wie bei so vielen Kindern und Jugendlichen, die basketballerischen Grundlagen, sodass ich mit Lust und Freude mehrere Jahrzehnte spielte.
Aber die größte Leistung gelang unserem Hubs meiner Meinung doch im allerersten Jahr 72 / 73: Obwohl wir immer nur unsere Spiele verloren, schmiss kein Einziger, wirklich ausnahmslos, von uns das Handtuch oder resignierte. Vielmehr konnte uns Hubs Zuversicht, realistische Selbsteinschätzung, Motivation und absolute Freude am Spiel und Training vermitteln. Das gelang ihm mit seiner wertschätzenden, immer freundlichen uns zugewandten Art, seiner Geduld und seinem Verständnis für uns. Ein echtes Vorbild.
Quintessenz: Hubs ist mit seinem jahrzehntelangen, sich selbst zurücknehmenden, bescheidenen und doch so erfolgreichen und tiefgehenden Wirken im Basketball beim TSV München-Ost wirklich eine Ausnahme-Erscheinung!
In dankbarer Rückschau auf diesen Pionier einer seiner ersten Schützlinge, Gunter Kahnert.
In einer Bilderkiste für Schwarz / Weißes gefunden: Hubs mit einer Jugendmannschaft, die erstaunlicherweise einen sehr ungewöhnlichen Mitstreiter mit dem Trikot Nr. 10 hat. Nähere Details sind nicht zu vermelden.